Ein echter Klassiker!
Sie Leben! (9/10)
Story:
Außerirdische haben die Erde besetzt. Sie sind optisch nicht von Menschen zu unterscheiden. Nur durch eine Spezialbrille betrachtet, erkennt man ihr wahres Gesicht. Der Gelegenheitsarbeiter John Nada (Roddy Piper) findet eine solche Brille und ist schockiert: Alles deutet auf eine lang geplante Invasion hin, denn Millionen von Aliens bevölkern bereits die Erde. Um den Planeten ungestört ausbeuten zu können, haben sie die Menschen in Hypnose versetzt. Als sich John einer Untergrundbewegung anschließt, um das Hauptquartier der Wesen zu zerstören, wird er entdeckt. Jetzt machen die Fremden unbarmherzig Jagd auf ihn.
Was kann man zu Sie Leben sagen, was noch nicht gesagt oder geschrieben wurde. Wahrscheinlich nichts, wahrscheinlich ist das gar nicht möglich. Sie Leben! Ist ein Kultfilm, mehr noch das ist für mich ein Meisterwerk, in seiner Ambitioniertheit und gleichzeitig Einfachheit schon ziemlich einzigartig.
Er hat so viele verschiedene Deutungsebenen und funktioniert gleichzeitig auch als simpler B-Sci-Fi-Actioner. Ein Film, der zu seiner Zeit hier und da auch nicht genug gewürdigt wurde, aber mit der Zeit seinen ikonischen Status immer weiter ausbaut.
Ein Film, der mit einfachsten und billigsten Tricks geschafft hat, eine Message zu überbringen die immer noch gültig ist, vielleicht sogar noch wichtiger und aktueller als je zuvor. Ein Film seiner Zeit, das sieht man ihm mehr als an, aber trotzdem zeitlos und universell gültig. Ein Bastard von einem Film, den es eigentlich nicht geben dürfte und der auch niemals hätte so gut sein dürfen. Eine Anomalie die es auch nur alle paar Jahre gibt.
Natürlich ist die Story absurd und over the top, aber dieser ganze Sci-Fi Ansatz dient nur als Rahmen für die Message die Carpenter rüberbringen will, wenn man sich darauf einlässt. Der Film nimmt sich auch nicht wirklich ernst und hat genug Humor und Augenzwinkern um mit dem ganzen Ansatz zu spielen. Selbst ohne tiefere Deutung, macht der Film einfach Spaß.
Piper ist die perfekte Besetzung für Nada (schöne Symbolik: spanisch für nichts), sicherlich, vor allem für die damalige Zeit (damals war es nicht en vogue Wrestler für ernste Rollen zu besetzen, alles noch weit vor The Rock), aber eine außergewöhnliche Entscheidung. Carpenter war ein großer Wrestlingfan zu dieser Zeit und konnte Piper bei den Produzenten durchdrücken (was zugegeben bei dem geringen Budget leichter gewesen sein muss). Piper lebte in seiner Jugend auf der Straße, hat ein hartes Leben und war eine charismatische Figur, aber sicherlich nicht der klassische gut, aussehende Actionheld. Eher eine Art eigensinniger Antiheld und das passte perfekt zur Rolle des Nada. Carpenters Helden waren eh nie glattgebügelte austauschbare Helden, nein es waren immer schon eher Außenseiter mit Ecken und Kanten.
Der berühmte Satz: "I have come here to chew bubble gum and kick ass, and I'm all out of bubble gum" war, übrigens die Idee von Piper, der ja auch als Wrestler für seine Promos berühmt war. Charismatisches Naturtalent halt. Für die Verbindung von Wrestlern und Filmen war der Film wichtig. Waren Wrestler vorher häufig nur als Schläger in Nebenrollen zu sehen oder aufgrund des Aussehens als Attraktion so war das hier ein ernstzunehmender Film, von einem bekannten Regisseur.
Die Helden des Films sind keine Polizisten, Spezialeinheiten, sondern Tagelöhner, Bauarbeiter ohne festen Wohnsitz die in einer Obdachlosensiedlung übernachten. Sie stellen sich gegen die außerirdische Bedrohung, die die Menschheit zu Konsumverrückten und willenlosen Schafen machen. Die Menschen die bewusst mit ihnen zusammenarbeiten sind Menschen, die am süßen Leben teilhaben wollen. Konnte die Botschaft von Carpenter noch deutlicher sein? Dieser Klassenkampf zieht sich durch den ganzen Film und hat ja auch heute weiterhin Relevanz.
Allein die Einführungssequenz von Nada, hier wird ein Bild von Los Angeles gezeigt was es zu der damaligen Zeit nicht zu sehen gab. Nicht die Sonne und die schönen Menschen wie z.B. bei Beverly Hills Cop, nein hier ist es dreckig, hier gibt es überall Obdachlose. Das ist deutlich und anklagend was Carpenter hier zeigt.
John Carpenter ist ein äußerst politischer Mensch, zur Entstehungszeit des Films war Ronald Reagan an der Macht und Carpenter hat selbst zugegeben das der Film mehr oder minder seine Antwort darauf war, auf den zügellosen Kapitalismus dieser Zeit. Mindestens bei der Klapperschlange, aber auch bei vielen seiner anderen Werke kann man den politischen Einfluss auf seine Filme erkennen. Einen gewissen Mangel an Vertrauen gegenüber von Autoritäten kann man sicherlich erkennen.
Was hatte der Mann für einen grandiosen Output Ende der 70er, bis Ende der 80er. Ein Klassiker nach dem anderen: Assault, Halloween, The Fog, Die Klapperschlange, The Thing, Big Trouble, Sie Leben. Auch hier steuert er natürlich, die die Filmmusik hinzu und diese ist eingängig wie immer. Er war auch da einfach ein Meister seines Fachs.
Keith David als Buddy von Piper und auch ungewollter Held hatte zwar schon in Carpenters The Thing mitgespielt, aber zwischen diesen beiden Filmen kaum Rollenangebote. Inzwischen sicherlich einer der bekanntesten Nebendarsteller und die Rolle in Sie Leben wurde von Carpenter explizit für ihn geschriben. Auch hier bricht Carpenter wieder mit Klischees. Piper und er sind sich ziemlich ebenwürdig und es gibt auch keine stereotypischen Rassenklischees wie bei vielen anderen Filmen aus dieser Zeit.
David und Piper betreiben auch eine der berühmtesten Szenen des Films, vielleicht die inzwischen berühmteste Schlägerei der Filmgeschichte. Ihr Alley Fight ist in gewisser Weise antizyklisch, dreckig und roh, wirkt im Vergleich zu den Hochglanzkloppereien dieser Zeit schön realistisch. Sie ist herrlich lang (über 5 minuten!) und auch wenn hier der ein oder andere Wrestlingmove drinsteckt, dann ist das nicht flashy sondern wirkt einfach wie eine dreckige Straßenschlägerei. Herrlich!
Abgerundet wird der Cast von Meg Foster. Auch sie passt mit ihrer Intensität und ihren Augen extrem gut zum Film. Carpenter schafft es immer wieder die Erwartungen des Zusehers zu unterwandern und auch beim Casting zu überraschen. Meg Foster ist da kein Unterschied.
Die Aliens sehen schön billig und eklig aus und das ist genau das was Carpenter erreichen wollte, sie sollten einfach hässlich aussehen mit quasi verfaultem Fleisch im Gesicht, diese hässlichen Augen, schön degeneriert, quasi von Macht und Konsum zerfressen. Das sind einfache Effekte, die aber wie gesagt, wunderbar funktionieren.
Wie auch die Matte Paintings. Welche Matte Paintings fragt ihr? Immer wenn Nada die Sonnenbrille aufzieht und die Billboards sieht, dann sind das Matte Paintings. Herrlich einfach und so wirksam. Einfache, aber starke Botschaften mit einfachsten Mitteln überbracht. Ich sage nur: OBEY. Auch diese Liebe zu den Details, die Werbungen, der Zeitungsladen oder der Lebensmittelladen, alles mit viel Liebe, aber einfach ausgestattet.
Auch das Ende des Films ist grandios. Ein Happy End, aber kein Happy End im klassischen Sinne. Aber es passt zu diesem Film, der einfach super unterhaltsam ist, gleichzeitig tiefgründiger und provokativer als auf dem ersten Blick vielleicht ersichtlich und auch als B-Film herrlich funktioniert. Ein Meilenstein. Auch heute noch haben die gesellschaftskritischen Aussagen des Films Bestand. Auch wenn der Film aussieht wie aus den 80ern, ist er doch zeitlos gültig und seiner Zeit vorraus. Das ist die Klasse eines Carpenters.
Der Film ist in der Regel auch für schlanke 8-10 Euro auf Blu Ray zu erhalten.
Fazit: Ein Klassiker, ein Meilenstein, der als simples B-Movie funktioniert, aber unter dieser Oberfläche gibt es so viel mehr zu entdecken. Meister Carpenter hat einen zeitlosen Film abgeliefert, der zwar unfassbar nach 80er aussieht, aber auch 40 Jahre später funktioniert, außerdem ist der Alley Fight grandios!
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