IEin wildes Produkt seiner Zeit!
Brüll den Teufel an (6/10)
Story:
Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg führen der Amerikaner O'Flynn (Lee Marvin) und sein englischer Schwiegersohn Oldsmith (Roger Moore) an der afrikanischen Küste einen Kleinkrieg mit dem deutschen Kommissar Fleischer. Als Fleischer O'Flynns Farm niederbrennen lässt und Oldsmiths Baby dabei ums Leben kommt, eskaliert die Situation und es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod zwischen den angelsächsischen und den deutschen Kolonialisten.
Mein Lieblingsbond war immer Roger Moore, mit ihm bin ich aufgewachsen und ich liebe ihn einfach. Ich kann seine Bond Filme immer wieder ansehen. Grundsätzlich finde ich ihn als Schauspieler auch unterschätzt und schaue mir auch gerne seine Rollen neben der Bond Reihe an.
Brüll den Teufel an (Shout at the Devil) ist mir tatsächlich immer etwas durch die Finger geglitten, hab ihn jetzt zum ersten mal gesehen und bin fasziniert und gleichzeitig verwirrt. Ein
überlanger Abenteuerfilm mit zwei sehr unterschiedlichen Hälften im Ton der Erzählung.
Das Ganze ist ne super interessante Produktion. Hier sind extrem viele Bond Alumni vor und hinter der Kamera versammelt. Moore war Bond, der Regisseur Peter Hunt war als Regisseur für Im
Geheimdienst ihrer Majestät verantwortlich, war aber zuvor der Cutter für die vorherigen Bond Filme und mitverantwortlich für den Look und Feel der ersten Bond Filme.
Mit Roger Moore war das seine letzte gemeinsame Produktion, arbeitete er doch mit Moore zuvor an einer Folge von die 2 und am Film Gold.
Und zwischen diesen beiden Filmen gibt es direkte Verbindungen. Nicht nur gleicher Hauptdarsteller und Regisseur, beide basieren auf einem Roman von Wilbur Smith (sagen wir mal so, das Schicksal
der Charaktere zwischen dem Buch und dem Film doch massiv abweicht) und Produzent war Michael Klinger, der mit Gold so zufrieden war das er die Truppe noch einmal zusammen trommelte.
Kurzer Exkurs zu Hunt, später drehte er mit Lee Marvin und Charles Bronson noch den tollen Yukon und mit Bronson für Cannon noch Assasination.
Aber wieder zurück zu den ganzen Bond Verbindungen. Second Unit Director war John Glen, der ja später die meisten Bond Filme als Regisseur ablieferte und auch mit Moore noch zwei mal
zusammengearbeitet hat (in der Regisseur, Darsteller Beziehung). Production Designer war Syd Cain, Visual Effects kamen von Derek Meddings, das Intro kommt vom legendären Maurice Binder usw. da
gibt es noch weitere Beispiele. Das steckt schon viel Bond drin.
So aber dann mal zurück zu unserem Hauptdarstellerduo, auch da wird es wild. Lee Marvin war keine 4! Jahre älter als Roger Moore. Natürlich sah Marvin damals schon deutlich älter aus (man sieht ihm auch seinen Alkoholkonsum an), aber Moore als deutlich jüngeren Schwiegersohn zu platzieren ist schon krass. Moore war 47, Marvin gerade 50! Der Film hätte ohne die Rolle der Tochter wahrscheinlich sogar besser funktioniert.
Die Tochter wird von Barbara Parkins gespielt (die in den 60ern und 70ern auch mehrfach im Playboy zu sehen war). Der tolle Ian Holm wird verschwendet als stumme Recht Hand von Marvin (übrigens
als Araber). Er war noch am Beginn seiner Karriere, aber er zeigt schon hier durch seine Mimik was er draufhat. Übrigens gibt es noch Horst Janson zu sehen, aber der Fokus liegt natürlich total
auf Moore und Marvin.
Die beiden haben nämlich eine tolle Chemie, ihr Zusammenspiel macht den Film sehenswert. Beiden merkt man den Spaß an den Rollen und den gemeinsamen Szenen an, vor allem Marvin darf schön
overacten und der Mann war ne Wucht, definitiv nicht nur vor der Kamera.
In seiner Autographie, My Word is My Bond beschreibt Moore das Marvin eigentlich permanent betrunken war,
das er charming sein konnte, aber das sich mit fortlaufendem Konsum das ganze auch verändern konnte. So sei Marvin etwas übereifrig geworden in einer der größten Szenen, der Keilerei zwischen der
beiden. Da hätte Marvin irgendwann echte Schwinger gesetzt. Auch gibt es eine Szene in der Marvin ein Kind hält, laut Moore hatte dieser Sorge das das Baby direkt in Ohnmacht fallen würde
aufgrund des Wodka Atems von Marvin.
Wie auch immer, Marvin ist eine Wucht, er bestimmt jede Szene des Films in der er ist, man kann die Augen kaum von ihm nehmen. Für mich ist der Mann eine Legende, larger then life und mit mehr
Charisma ausgestattet als ganze heutige Produktionen. Moore hat da offen gesagt einen schweren Stand, aber am Ende hält er sich ordentlich und macht das Beste aus seiner Rolle.
Diese Dynamik ist vor allem in den ersten 90 Minuten zu sehen und da macht der Film mir, trotz einiger Probleme, zu denen ich später noch komme, Spaß. Hier und da etwas klamaukig und ein Produkt
seiner Zeit, aber hey es gibt definitiv schlimmeres. Das ist dann seichte, spaßige Abenteuerunterhaltung.
Im zweiten Teil oder den restlichen 60 Minuten (auch ein Grund das dieser Film so überlang ist, dieser dramatische Bruch) wird der Film super ernst, es geht um ein totes Kind, Rache und den
Start des ersten Weltkriegs. Wow, das fühlt sich wirklich an wie zwei Filme in einem. Da werden dann die Kabelleien zwischen Moore und Marvin zurückgefahren und das schadet dem Film, aus meiner
Sicht. Auch ist der Film dann auf einmal überraschend blutig für die damalige Zeit.
Wie ich bereits geschrieben hatte, das Ganze lässt einen fasziniert und irgendwie verwirrt zurück. Es ist nicht ganz so einfach einzuordnen und die Teile fügen sich auf jeden Fall nicht so
einfach zusammen. Aus heutiger Sicht, hat der Film jedoch noch ganz andere Probleme.
Vielleicht noch ein kleiner Exkurs vorab. Ich liebe physische Medien, warum? Mir kann keiner im Streaming irgendwas zensieren aufgrund irgendwelchen Gruppen die meinen das man gewisse Sachen
nicht mehr sehen darf. Dieses ganze Woke Gehabe geht mir ordentlich auf den Sack. Es ist doch viel entscheidender das mit dem Blick auf die damalige Zeit einzuordnen, Zeiten ändern sich und das
heutige Gehabe wird in paar Jahrzehnten auch kritisch gesehen. Ich hasse diesen erhobenen, moralischen Zeigefinger.
´Der Film ist ein Produkt seiner Zeit, das sieht man an der Darstellung der Afrikaner, das diese auch als gegenseitiges Kanonenfutter dienen, aber auch am Blackfacing von Moore oder das unsere
beiden Helden Elfenbeinschmuggler sind. Alles Dinge die heute verpönt sind. Also definitiv kein Film für die woke Generation.
Das ausgeklammert bleibt jedoch ein unterhaltsamer, jedoch überlanger, Abenteuerfilm mit schönen Schauwerten und einem tollen Hauptdarstellerduo. Wenn der Film im Ton etwas runder wäre und nicht
so einen krassen Wandel, dann wäre der noch besser. Auf der anderen Seite ist genau dieser Bruch etwas einzigartiges, das den Film wieder speziell erscheinen lässt.
Fazit: Brüll den Teufel an ist kein Film für die Woke Generation, da sind viele Dinge drin die man aus heutiger Zeit schwierig beschreiben würde. Lässt man das beiseite, ist der Film selbst für die damalige Zeit ziemlich gespalten. Ein überlanger Abenteuerfilm mit zwei unterschiedlichen Hälften, der aber von seinen tollen Aufnahmen und einem legendären Hauptdarsteller Duo lebt!
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